Das Jubiläum - ein Anlass zum Innehalten, zur Dankbarkeit für Vergangenheit und Gegenwart, sowie ein Ausblick: "Christus ist unsere Zukunft."
Schon im Eingangsgebet wurde dem Schöpfer aller Dinge der Dank für einhundert Jahre Gemeindegeschichte entgegen gebracht. Zeitzeugen von damals im Jahr 1921 können nicht mehr berichten. Persönlich. Aber es gibt Erinnerungen an die Pioniere. Brüder und Schwestern, die den Grundstein dazu gelegt haben, dass wir da sein dürfen, wo wir heute sind. Mit ihnen gemeinsam gehen wir in eine gemeinsame Zeit, eine gemeinsame Zukunft. Dann spielen Unterschiede keine Rolle mehr: Alle werden in Christus vereint sein.
Musikalisch standen zwei Danklieder am Beginn des Gottesdienstes: "Großer Gott, wir loben dich..." (Text nach dem Te Deum des 14. Jh, von Ignaz Franz, Gb der Neuap. Kirche Nr. 255, Komponist nicht bekannt), Orgel, als Eingangslied. Und später, gespielt von der Herrenberger Instrumentalgruppe: "Nun danket alle Gott...", (Melodie Johann Crüger, 1598 - 1662, Gb Nr. 256). Danach der Apostel: "Als vor etwa einem Jahr mit den Planungen für das Jubiläumsjahr begonnen wurde, gab es noch andere Rahmenbedingungen als, Pandemie bedingt, die derzeitigen. Die konnte sich damals niemand vorstellen. Nur Gott ist derjenige, der alles weiß. Das Jubiläum ist aber auch dann, wenn manche Pläne nicht umgesetzt werden können, ein Anlass zum Innehalten, zur Dankbarkeit und zum Nachdenken über die Zukunft."
Was war denn nun alles in den vergangenen einhundert Jahren? Schnaufer hatte sich mit der Kurzchronik befasst, die Gemeindevorsteher und Evangelist Carsten Dehner ihm hatte zukommen lassen. Die Anfänge neuapostolischen Glaubenslebens reichen bis ins Jahr 1918 zurück. Es war das Ende des Ersten Weltkriegs und es war auch die Zeit der pandemischen Spanischen Grippe. Und trotzdem - im Spätherbst 1920 konnten erste Gottesdienste in der Gäumetropole stattfinden. Am 13. November 1921 wurde die selbständige neuapostolische Kirchengemeinde Herrenberg gegründet. Die sprichwörtlichen "goldenen" 20er Jahre folgten, an deren Ende eine große Weltwirtschaftskrise stand. Und trotzdem wurde 1929 die selbständige Gemeinde Nufringen/Gärtringen gegründet. Bis dahin hatten die Glaubensgeschwister ihr kirchliches Zuhause in Herrenberg. Nach dem Zweiten Weltkrieg, ab Oktober 1946, fanden die Herrenberger Gottesdienste in einem Schulsaal statt. So viel zur Chronik. Was wir daraus mitnehmen? Nicht nur die Probleme sehen. Es gab immer Gründe, sich zu fragen, ob gerade jetzt eine Gemeindegründung Sinn macht. Nein, kein strategisches Handeln, sondern Gottvertrauen ist gefragt. Christus ist unsere Zukunft - das Jahresmotto neuapostolischer Christen 2021 - bedeutet, es gibt keinen Grund, den Mut zu verlieren oder Fragezeichen zu machen, wenn wir auf Christus sehen.
"Und am Abend war das Boot mitten auf dem Meer, und er war an Land allein. Und er sah, dass sie sich abplagten beim Rudern - denn der Wind stand ihnen entgegen -, da kam er um die vierte Nachtwache zu ihnen und wandelte auf dem Meer und wollte an ihnen vorübergehen." (Mk 6, 47, 48). Auf das eingangs verlesene Bibelwort eingehend erklärte der Apostel zunächst dessen Kontext. Nach der Speisung der Fünftausend sollten die Jünger mit dem Boot weiterfahren. Jesus wollte allein auf einen Berg, um dort zu beten. (Mk 6, 45 ff). Auf einer Schiffsreise können die Wellen schon mal hochschlagen. So, wie das auch im Lauf der Jahrzehnte in einer Gemeinde immer wieder geschieht. Aber, der "Dirigent" hat alles im Blick. Auch den sicheren Hafen. Trotz Gegenwinds wird es keine Kraft geben, die den Herrn aufhalten kann. Die Jünger damals hielten Jesus auf dem Meer für ein Gespenst. Sie fürchteten sich. Er konnte sie beruhigen. (Mk 6, 49 ff). Auch wenn wir denken, Gott ist ganz weit weg ... Wir sehen ihn trotzdem. Er lässt uns fühlen: Ich bin da. Er nimmt uns nicht jede Last ab. Aber er zeigt sich uns und gibt Zuversicht.
Jesus kam zu den Jüngern und es war still. (Mk 6, 31)."Lasst uns im Jubiläumsjahr innehalten. Dankbar sein für das Erlebte und daraus Mut und Zuversicht für die Zukunft schöpfen." Es gibt so viel Leid, ja, aber behalte dein Vertrauen. Du kannst doch nicht alles sehen und überblicken. Menschliche Schwächen schmälern nicht die Wirkung der Sakramente. Jesus sah, dass die Jünger Gegenwind bekommen hatten. Er war da für sie. Das lernen wir auch aus einhundert Jahren Gemeinde Herrenberg. Wir sehen auf ihn, der da ist. Dem alle Gewalt gegeben ist (vgl. Mt 28, 18) und der bei uns sein wird alle Tage bis an das Ende der Welt. (vgl. Mt 28, 20). Wir schauen auf den, der zugesagt hat, uns die Stätte zu bereiten und wiederzukommen, um uns zu sich zu nehmen. (Joh 14, 3). Äußere Umstände halten den Herrn nicht davon ab, sein Werk zu vollenden. "Das möge auch für die Gemeinde Herrenberg der Ausblick in die Zukunft sein." Jesus hat auch die Macht, uns die Sünden abzunehmen. Mit diesen Worten wurde zum Vaterunser übergeleitet.
Danach sollte einem kleinen Mädchen, das auf dem Arm der Mutter zum Altar getragen wurde, der Heilige Geist gespendet werden. Zur Vorbereitung wurde von einer Glaubensschwester ein Lied aus dem Gesangbuch (Nr. 274, Text Friedrich Dürr, 1908 - 1993) mit Orgelbegleitung gesprochen. "Ich bin getauft und Gott geweiht ..." Die Darstellung der Wiedergeburt aus Wasser und Geist, wie der Apostel den Inhalt zusammenfasste. Nach der Heiligen Wassertaufe, mit der die Erbsünde abgewaschen wird, folgt ein weiterer Schritt: Die Erhöhung zum Erstling und Erben. Zu erfassen nur mit dem Glauben. In seiner Ansprache an die Eltern wies der Apostel darauf hin, dass das Kind schon jetzt im Natürlichen alle Begabungen in sich trägt: Sportlerin, Musiktalent, nur als Beispiel. Und so auch die Anlage, ein Ebenbild Christi zu werden. "Ihr könnt kein anderes Kind daraus machen, wohl aber den Rahmen dafür bieten, dass es sich entwickelt."
Nach der Feier des heiligen Abendmahls wurde ein stellvertretender Vorsteher für die Gemeinde Herrenberg ernannt. Priester Benjamin Zahn kam nach vorn an den Altar. Für die neue Aufgabe wünschte Schnaufer ihm auch neue Kraft. Gott und sein Sohn würden mit ihm sein, so deren Zusage. Für die Gemeinde liege in dieser Ernennung ein besonderer Segen, weil der Gemeindevorsteher besondere Unterstützung bekomme. "Es geht weiter." Freude und Weisheit wurden Benjamin Zahn gewünscht. Der Wunsch des Apostels an ihn: Für die Gemeinde da sein, aber auch für seine Familie. Wenn die ihn brauche, dann möge er trotz der Arbeit in der Seelsorge sich immer für seine Frau und die Kinder die notwendige Zeit nehmen.
"Bis wir uns wiedersehen, alles Gute!", verabschiedete sich Martin Schnaufer nach dem Gottesdienst.